Hyperhidrose

Moderne Behandlung der Hyperhidrose mit Botulinumtoxin

Dr.med. Sergii Kurinnyi, Facharzt für Plastische Chirurgie. Konsiliararzt Praxis CSP. Plastische und Ästhetische Chirurgie

Die Schweissproduktion ist ein physiologischer Mechanismus, der zur Regulation des Wärmeaustauschs im menschlichen Körper lebensnotwendig ist. Übermässiges Schwitzen, welches den notwendigen Bedarf des Körpers zur Unterstützung des Temperaturgleichgewichtes übersteigt, heisst Hyperhidrose. Es wird zwischen allgemeiner (generalisierter) Hyperhidrose, bei der sich die übermässige Schweissproduktion im ganzen Körper zeigt, sowie der örtlichen (lokalen) Hyperhidrose unterschieden, bei der einzelne Körperbereiche befallen sind.

Die generalisierte Hyperhidrose ist keine selbständige Erkrankung, sondern nur Symptom einer anderen Krankheit, zum Beispiel einer Infektion, von endokrinen Störungen, der Menopause, neurologischen Erkrankungen sowie bei Einnahme bestimmter Medikamente, insbesondere Antidepressiva. Nach erfolgreicher Behandlung der Grunderkrankung normalisiert sich die Schweissproduktion. Die lokale Hyperhidrose entsteht meist ohne ersichtlichen Grund. Sie tritt im Erwachsenenalter auf, ist familiär gehäuft und betrifft zirka 3% der Bevölkerung. Möglicherweise ist die Erkrankung aber bedeutend häufiger, da die überwiegende Mehrzahl der Menschen mit übermässiger Schweissproduktion keine ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt.

Die lokalisierte Hyperhidrose betrifft in erster Linie die Achselhöhlen (etwa ¾ aller Fälle). Es können aber auch Füsse und Handflächen betroffen sein. Der Erkrankung liegt eine Störung der nervalen Regulation der Schweissproduktion zugrunde. Bei emotioneller Belastung oder Stress (beispielsweise während eines Bewerbungsgesprächs, öffentlichen Auftritts oder Dates) verstärkt sich die Schweissproduktion zusätzlich. Ein übersteigertes Schwitzen im Axillarbereich verursacht ein grosses Unbehagen nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch im beruflichen und privaten Umfeld. Die Betroffenen müssen die Kleidung teilweise sogar mehrere Male pro Tag wechseln. Zu den psycho-emotionellen Problemen und der Selbstunsicherheit kommen auch finanzielle Ausgaben für Wäscherei und den ständigen Kleidungswechsel hinzu.

Zu den gut etablierten Diagnosemethoden der Hyperhidrose zählen die Probe nach Minor und der Jod-Stärke-Test, welche den Ort (Lokalisation) der Schweissdrüsen effektiv erkennen lassen und auch zur Behandlungskontrolle eingesetzt werden können. Diese einfachen und zuverlässigen Methoden rufen keine Schmerzempfindungen oder Unbehagen hervor. Die Probe nach Minor wird mit Hilfe von Jod (Lugolsche Lösung) durchgeführt, welches auf den Bereich der übermässigen Schweissproduktion (Achselhöhle, Hand oder Fuss) aufgetragen wird (Abb. 1).

Abbildung 1:

Botulinotherapie CSP Praxis Basel
Hyperhidrose  CSP Praxis Basel

Nachdem das Jod ausgetrocknet ist, wird der Bereich mit Kartoffelstärke bestreut. Nach 10-15 Minuten wird die Stelle noch einmal inspiziert. Vom Vorhandensein der Hyperhidrose zeugt das Auftreten einer dunkelblauen Farbe (die Stärke tritt mit dem Schweiss in Kontakt und ändert deren Farbe im Beisein des Jods). Der Arzt vermerkt die Grenzen der erhöhten Aktivität der Schweissdrüsen und macht Fotos vor Behandlungsbeginn (Abb. 2a).

Abbildung 2a:

Seit Jahren wurden verschiedenste medikamentöse und chirurgische Therapieformen versucht, unter anderem (1) die lokale bis systemische Anwendung von Medikamenten, (2) minimal-invasive chirurgische Eingriffe bis zu (3) aufwendigen chirurgischen Operationen in Vollnarkose. Die lokale Behandlung mit Aluminiumsalzen zur Hemmung des übermässigen Schwitzens, die Ionophorese wie auch die Verabreichung von anticholinerg wirkenden Medikamenten erwiesen sich als wenig effektiv, von nur kurzer Dauer oder dann mit erheblichen Nebenwirkungen behaftet. Die Patienten ertrugen die beschriebenen Behandlungen schlecht und waren mit dem Behandlungsergebnis alles andere als zufrieden.

Die oben beschriebenen Nachteile und Einschränkungen bei den früheren Behandlungen führten zur Suche nach neuen, stärker wirksamen und besser verträglicheren Alternativen. Dadurch entwickelte sich die Injektion mit Botulinumtoxin als Mittel der Wahl zur Behandlung der übermässigen Schweissproduktion. Botulinumtoxin wird durch das Bakterium ClostridiumBotulinum produziert. Medikamente auf der Basis von Botulinumtoxin werden seit den 1990er Jahren nicht nur in der Ästhetischen Medizin, sondern auch bei vielen anderen Erkrankungen wie der zervikalen Dystonie, von spastischen neuromuskulären Störungen und von Kopfschmerzen erfolgreich eigesetzt. Der Wirkmechanismus des Botulinumtoxins bei der Behandlung der Hyperhidrose besteht in einer temporären „chemischen“ Hemmung der Impulsübertragung von Nervenästen zu den Zellen der Schweissdrüsen, welche für die übersteigerte Schweissproduktion verantwortlich sind. Die therapeutische Wirkung des Botulinumtoxins dauert bei der Hyperhidrose mindestes 5 bis 8 Monate.

Die Therapie der Hyperhidrose mit Botulinumtoxin sollte ausschliesslich durch den Facharzt durchgeführt werden, welcher ausreichende Erfahrung bei der Behandlung der übermässigen Schweissproduktion hat. Bei Achselhöhlenhyperhidrose ist der betroffene Bereich 2-3 Tage vor der Behandlung zu enthaaren, während die Behandlung der Hände und Füsse keine besondere Vorbereitung braucht. Unmittelbar vor der Behandlung führt der Arzt obligatorisch den Jod-Stärke-Test durch, bestimmt die Grenzen der erhöhten Aktivität der Schweissdrüsen, die bei jedem Patienten unterschiedlich sind, und dokumentiert dies fotografisch. Injektionen mit Botulinumtoxin werden intrakutan mit einer sehr feinen Nadel in die Tiefe bis einige Millimeter ausgeführt (Abb. 2b, 2c).

Abbildungen 2b, 2c:

Zur Verhinderung von Schmerzen bei der Behandlung werden Crèmes oder Sprays mit einem Lokalanästhetikum eingesetzt. Die Behandlung dauert maximal 45 Minuten, d.h. man kann sie beispielsweise während der Mittagspause durchführen lassen und dann wieder zurück an den Arbeitsplatz. Im Unterschied zu anderen Behandlungsmethoden der Hyperhidrose kommt es durch die Botulinotherapie zu keinerlei Einschränkungen. Zwei Wochen nach der Behandlung wird der Patient zur Kontrolle einbestellt (Abb. 3a, 3b). Eine nächste Behandlung ist frühestens nach 5-8 Monaten notwendig.

Abbildung 3a, 3b:

Zu den absoluten Kontraindikationen gehören Hautinfektionen in den Zonen des Eingriffs, sowie allergische Reaktionen auf Komponenten des Botulinumtoxins. Das heisst, bei diesen Patienten darf die Behandlung nicht durchgeführt werden. Neurologische Erkrankungen, die von Muskelschwäche begleitet werden, wie die Amyotrophe Lateralsklerose, die Myasthenia gravis, oder das Lambert-Eaton-Syndrom, sind relative Kontraindikationen, d.h. in jedem solchen Fall trifft der Arzt eine individuelle Entscheidung über Durchführung oder Nicht-Durchführung der Behandlung.

Die meisten von Hyperhidrose Betroffenen sind junge arbeitsfähige Menschen. Ständige Schweissabsonderung im Bereich der Achselhöhlen, Hände oder Füsse ist ein belastender, psychotraumatischer Faktor, welcher zu nachhaltigen emotionellen, sozialen und professionellen Einschränkungen mit schliesslich auch verminderter Lebensqualität führt.

Die Anwendung der Botulinumtoxin-Präparate wurde zu einer echten Revolution in der Behandlung der Hyperhidrose und hat die früher notwendigen chirurgischen, aufwendigen und mit Risiko behafteten Behandlungen fast vollständig ersetzt.

Dank ihrer Sicherheit, hohen Effektivität, dauerhaften Wirkung, fehlenden Nebenwirkungen und Komplikationen nimmt die Botulinotherapie heute unbestritten den ersten Platz im Bereich der Behandlung der Hyperhidrose ein.

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